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Diesmal: Spotify Wrapped und die Unendlichkeit der Genres

Am 29. November war es wieder soweit – „Spotify Wrapped“ hatte all seinen User:innen erneut einen musikalischen Rückblick auf das vergangene Jahr gegeben. Auf Instagram und anderen Social-Media-Plattformen kam man um den Hype gar nicht herum. Dabei besonders auffällig: Spotifys Genre-Burger, der seinen User:innen Aufschluss über ihr Hörverhalten bot und außerdem ein paar neue Subgenres einführte.

Seit 2016 bietet Spotify seinen musikalischen Jahresrückblick an und jedes Jahr scheint der Hype um diesen Tag größer zu werden. In den sozialen Medien wird „Spotify Wrapped“ schon fast als eigener Feiertag zelebriert, wenn endlich wieder jede:r in einer Instagram-Story zeigen kann, was für einen außergewöhnlich guten Musikgeschmack er oder sie hat. Vor allem ist „Spotify Wrapped“ also ein schlauer Marketing-Move, mit dem sie jedes Jahr aufs neue zeigen können, was andere Streaming-Anbieter – außer mittlerweile Apple Music, die ein ähnliches Feature eingeführt haben – eben nicht zu bieten haben. Jedes Jahr aufs Neue wird ab Ende Oktober – da hört die Datensammlung für das jeweilige „Wrapped“-Jahr auf – dem großen Tag entgegengefiebert, und wenn es dann soweit ist, bietet Spotify direkt auch für jedes einzelne Slide (dein Top-Artist, deine Top-Tracks, deine gehörten Minuten im Jahr ...) eine eigene Grafik, die direkt schon fertig für das Teilen in der Instagram-Story ist: eine schicke Aufmachung, das passende Format und dazu das Spotify-Logo.

Ein besonderer Hingucker waren in diesem Jahr aber die Top-Genres. Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass die Definition von Genres gerade in den letzten Jahren ein wenig ausgeartet ist und es mittlerweile mehr Genres und Sub-Genres gibt, als man aufzählen könnte. Es ist in vielen Fällen sicherlich sinnvoll und auch beeindruckend, wie sich Musiksparten über die Zeit entwickelt haben. Ich selbst habe laut Spotify im vergangenen Jahr über 39 verschiedene Genres gehört – was allein bei den vielen verschiedenen Metal-Subgenres wohl keine große Überraschung ist. Spotify legt aber im Indie-Bereich eine Schippe drauf. Neben Indierock, Indiepop, Shoegaze, Post-Punk und Neue Deutsche Welle – die jetzt mal mit Absicht alle in einen Topf geworfen werden – gibt es jetzt noch viel, viel mehr Subgenres, die die Welt nicht braucht. Und so kommt es, dass „pov: indie“ der heimliche Star des diesjährigen „Spotify Wrapped“ war, wobei die Leute sich online zu Recht gefragt haben: Was zur Hölle soll das sein?

„POV“ wird Allgemeinhin als Abkürzung für „point of view“ genutzt, was im Zusammenhang mit diesem Genre eigentlich nur noch mehr Fragen aufwirft. Was bedeutet dann „pov“ im Zusammenhang mit Indie? Was unterscheidet dieses Genre von stinknormaler Indie-Musik? Was macht Indie-Musik eigentlich aus, außer dass sie (vielleicht) independent ist?
Ein Blick auf die „The Sound of pov: indie“-Playlist hilft leider auch nicht bei der Beantwortung dieser Fragen. Mal abgesehen davon, dass die meisten Artists in dieser Playlist nicht independent unterwegs sind, gehören meiner Einschätzung nach fast alle bereits zu diversen anderen Subgenres. Mit einem Blick auf diese Playlist stellt sich die Frage, was Phoebe Bridgers mit MY CHEMICAL ROMANCE und die wiederum mit MODERN BASEBALL zu tun haben, abgesehen davon, dass alle drei depressive Musik machen.
Eine Internet-Suche soll Klarheit schaffen. Laut „Musicalyst“ steht „pov: indie“ für das Folgende:

„POV: Indie is a music genre distinguished by its independent, do-it-yourself (DIY) approach to production and promotion. The genre is recognizable by its lo-fi sound, unconventional instrumentation, and DIY aesthetic.“

Da stellt sich die Frage: Wann wurde Indie eigentlich mal genug ausgeschlachtet? Bei der aktuellen Popularität von Indie-Musik ist es wohl keine Überraschung, dass die eigentliche Bedeutung irgendwo zwischen den Majorlabels und Streaming-Giganten wie Spotify verloren gegangen ist. Vielleicht ist es auch einfach mal wieder Zeit für ein neues Genre, mit dem man seine Andersartigkeit und „edginess“ beweisen kann. Oder vielleicht sollten wir Subgenres insgesamt abschaffen.